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Nichtzertifizierte Wechselrichter bei Solaranlagen?

Wechselrichter sind eine wesentliche Komponente von Solaranlagen und erfüllen wichtige Funktionen. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, den von den Solarmodulen erzeugten Gleichstrom (DC) in Wechselstrom (AC) umzuwandeln.

Da die meisten elektrischen Geräte und das öffentliche Stromnetz Wechselstrom verwenden, ist ein Wechselrichter erforderlich, um den von den Solarmodulen erzeugten Gleichstrom in einen für den Verbrauch geeigneten Wechselstrom umzuwandeln.

Wechselrichter übernehmen auch andere wichtige Funktionen in Solaranlagen. Dazu gehören:

1. Maximum Power Point Tracking (MPPT): Wechselrichter nutzen MPPT-Technologie, um die maximale Leistung aus den Solarmodulen zu extrahieren. Sie passen kontinuierlich die Eingangsspannung und den Eingangsstrom an, um sicherzustellen, dass die Solarmodule unter den besten Bedingungen arbeiten und die maximale Energieerzeugung erreichen.

2. Netzeinspeisung: Wechselrichter ermöglichen die Einspeisung des erzeugten Solarstroms in das öffentliche Stromnetz. Dies geschieht bei netzgekoppelten Solaranlagen, bei denen überschüssige Energie in das Netz eingespeist und als Einspeisevergütung vergütet wird.

3. Netzüberwachung: Wechselrichter überwachen ständig die Netzspannung und den Netzstatus. Im Falle eines Netzausfalls oder einer Störung schaltet der Wechselrichter die Solaranlage automatisch ab, um die Sicherheit der Netzbetreiber und Wartungspersonal zu gewährleisten.

4. Datenüberwachung und -kommunikation: Moderne Wechselrichter bieten oft die Möglichkeit, den Energieertrag der Solaranlage zu überwachen. Sie liefern Echtzeitdaten wie Leistung, Ertrag und Fehlermeldungen, die dem Anlagenbesitzer oder Installateur bei der Überwachung und Wartung der Solaranlage helfen.

Das Problem bei manchen Wechselrichter-Herstellern ist, dass der Punkt 3 nicht ordnungsgemäß funktioniert. So fehle den Wechselrichtern des chinesischen Unternehmens Deye das sicherheitsrelevante Relais, das für die Abschaltung verantwortlich ist. Damit wären ein Großteil der wohl rund 400.000 bisher verkauften Wechselrichter aber nicht zertifiziert! Aus diesem Grund hat beispielsweise der Hamburger Hersteller von Balkonkraftwerken Wattmeister angekündigt, keine Wechselrichter von Deye mehr zu verkaufen.

Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE) hat nun auf eine Anfrage von heise online Stellung hierzu bezogen. Das Normungsgremium des VDE hat die Norm VDE-AR-N 4105 entwickelt, die besagt, dass dieses Relais erforderlich ist. Der Verband ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Betriebserlaubnis nicht mehr gegeben sind, wenn das verwendete Zertifikat nach VDE-AR-N 4105 ungültig ist.

Der VDE ist der Meinung, dass derartige Geräte unverzüglich außer Betrieb gesetzt und zurückgerufen werden müssen.

Deye hat mittlerweile darauf reagiert und bietet online eine Lösung an, bei der das von der VDE-Norm geforderte Relais durch ein externes ersetzt werden soll. Der Hersteller betont zudem, dass die Nachrüstung eines externen, mechanischen Relais die Lebensdauer des Systems verlängern würde, da das Relais so nicht den hohen Betriebstemperaturen im Inneren des Mikrowechselrichters ausgesetzt ist.

Der VDE hat jedoch Zweifel an der Erfüllung der Normen durch die von Deye vorgeschlagene zusätzliche Relais-Box geäußert. Der Verband betonte, dass das Nachrüsten eines externen Relais nicht ohne weiteres möglich ist. Es müsste ein vollwertiger zentraler NA-Schutz sein, der alle entsprechenden Anforderungen erfüllt. Eine Lösung, bei der der Verbraucher den NA-Schutz eigenständig integrieren und lösen kann, entspricht nicht den Anforderungen der geltenden internationalen und nationalen Normen.

Auch seitens der Bundesnetzagentur sieht man diese Lösung derzeit skeptisch. So müsse die Relais-Box zuerst ein Konformitätsverfahren durchlaufen und dann als Nachweis dafür ein CE-Kennzeichen erhalten, bevor sie eingesetzt werden kann.

Deye ist übrigens nicht der einzige Wechselrichter-Hersteller mit diesem Problem. Auch vor den entsprechenden Produkten der Hersteller Bosswerk und TSUN hatte die Bundesnetzagentur schon Anfang Juni gewarnt. Bosswerk habe mittlerweile reagiert und sein Produkt technisch so verändert, dass es im Verkauf bleiben darf.

Für die Endkunden der in den Solaranlagen verbauten nicht zertifizierten Wechselrichter folgt im schlimmsten Fall ein Entzug der Betriebserlaubnis beziehungsweise ein Austausch mit zertifizierten Geräten.

Eine Gefahr für Menschen gehe grundsätzlich aber nicht vom Fehlen des Relais aus, sagte TüV-Rheinland Pressesprecher Alexander Schneider. Zwar sei es die grundlegende Funktion des Relais, die Stromproduktion zum Beispiel bei einer Wartung komplett zu deaktivieren, aber da nur kleine Kondensatoren verbaut sind, ist der ausgelöste elektrische Schlag vergleichbar mit der statischen Aufladung durch Kleidung oder einem Teppich.

Veröffentlichungsdatum: Mittwoch, 19.07.2023
Verantwortlicher Autor: Red. LG

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Bildquelle: Clker-Free-Vector-Images (CC0), Pixabay

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