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Rückabwicklung von Lebensversicherungen durch die Facto Financial Services AG – ein lukratives Geschäftsmodell ?

Insolvenz

Insolvenz | © CC0/pixabay.com

Eine kritische Betrachtung von RA Marc Ellerbrock, BEMK Rechtsanwälte Markdorf / Bielefeld

Die Insolvenz der Facto Financial Services AG bietet Anlass, sich kritisch mit dem Geschäftsmodell des Unternehmens auseinanderzusetzen.

Der „Widerspruchsjoker“ gem. § 5a VVG a.F. für LV-Verträge im Zeitraum von 1994 – 2007 ist mit Sicherheit kein Geheimtipp mehr. Hinweise auf die Ausübung des Widerspruchsrechts und die damit potentiell verbundenen Vorteile für die Verbraucher sind im Internet allgegenwärtig.

Gerade deshalb stellt sich aber die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Servicemodelle A und C, wie sie von der Facto Financial Services AG angeboten wurden. Diese Modelle richteten sich an Verbraucher, die entweder über eine Rechtsschutzversicherung verfügten oder bereit waren, die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens gegen den Lebensversicherer selbst zu übernehmen. Die Facto Financial Services AG behielt sich in diesen Fällen Abschläge von bis zu 45 % (Modell A) bzw. bis zu 35 % (Modell C) vom jeweils erzielten Mehrwert vor.

Man muss dem Dienstleister zugestehen, dass in diesen Abschlägen natürlich Kosten enthalten sind, wie z.B. für die Erstellung des versicherungsmathematischen Gutachtens, welches wiederum zur Bezifferung des Anspruchs gegenüber dem Lebensversicherer notwendig ist. Dennoch: warum soll ein Verbraucher bereit sein, derart hohe Abschläge hinzunehmen, wenn sich Rechtsanwälte um derartige Mandate im Internet reihenweise bewerben, ohne Erfolgsbeteiligungen zu verlangen?

Natürlich muss ein Verbraucher im Regelfall zunächst mit den Kosten zur Erstellung des versicherungsmathematischen Gutachtens in Vorleistung gehen, wenn er mit Unterstützung seines Rechtsanwaltes den Widerspruch durchsetzen will. Diese Kosten werden von Rechtsschutzversicherern üblicherweise nicht übernommen. Zum einen sind diese Kosten jedoch überschaubar, zum anderen besteht die Möglichkeit, die Kosten des Gutachters nach einem gerichtlichen Obsiegen im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen und sich erstatten zu lassen.

Die Servicemodelle A und C wirken aus diesem Grund nicht mehr zeitgemäß.

Etwas anderes gilt auf den ersten Blick für das Servicemodell B, welches sich in erster Linie an Verbraucher richtete, welche weder über eine Rechtsschutzversicherung verfügten noch bereit oder in der Lage waren, die Kosten eines Gerichtsverfahrens selber zu übernehmen. In dem Fall bestand die Möglichkeit der Abtretung der Rechte und Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag an die Facto Financial Services AG, welche sich sodann um die erforderlichen Schritte zur Durchsetzung des Widerspruchs bemühte. (z.B. Einholung Gutachten, Beauftragung Rechtsanwalt zur Durchführung des gerichtlichen Verfahrens) Für diese Rechtsdienstleistung behielt sich die Facto Financial Services AG einen Abschlag von rund 50% des erlösten Mehrwerts vor, was angesichts der vollständigen Übernahme des Prozesskostenrisikos nicht unangemessen erscheint.

Weiter entwickelt wurde das Servicemodell C durch das Modell D, das so genannte „Rundum-Sorglos-Modell“. Dieses Modell entsprach im Wesentlichen dem Modell C, wobei der Verbraucher eine Sofortauszahlung von 20% des Mehrwertes erhielt, im Gegenzug jedoch wohl auch einen höheren Gesamtabschlag hinnehmen musste.

Es scheint sich bei diesen Servicemodellen um sinnvolle Angebote für solche Verbraucher zu handeln, welche nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen über dem Lebensversicherer zu beauftragen. Auf den zweiten Blick sind in rechtlicher Hinsicht aber Bedenken anzumelden. Zwar existiert obergerichtliche Rechtsprechung dazu, dass auch gewerbliche Policenaufkäufer berechtigt sind, das Widerspruchsrecht gem. § 5a VVG a.F. auszuüben. Dies korrespondiert nach Auffassung des Verfassers auch mit der einschlägigen Rechtsprechung des BGH. In diesen Fällen sind die Policenaufkäufer jedoch stets in die Stellung des Versicherungsnehmers eingerückt, was der Facto Financial Services AG, zumindest bei bereits beendeten Lebensversicherungsverträgen, nicht möglich war. Ob bei reiner Abtretung des Widerspruchsrechts ohne gleichzeitige Übernahme des Vertrages als Versicherungsnehmer die Ausübung des Widerspruchsrechts statthaft sein kann, ist in rechtlicher Hinsicht zumindest fraglich.

Fazit:

Angesichts der schieren Menge der betroffenen Verträge ist der Markt für die Rückabwicklung von Lebensversicherungsverträgen durch Widerspruch nach wie vor vorhanden. Es ist auch unbestritten, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts für den einzelnen Verbraucher ausgesprochen lukrativ sein kann. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass sich Verbraucher an Rechtsdienstleistungsunternehmen wenden, um ihren Anspruch durchzusetzen. Die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Rechtsanwalt im Rahmen eines individuellen Mandatsverhältnisses erscheint vorzugswürdig.

Veröffentlichungsdatum: Mittwoch, 01.08.2018
Verantwortlicher Autor: Red. LG

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Bildquelle: Lebensversicherung | © rawpixel / Pixabay

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