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Prospektfrei bis acht Mio. EUR: die Umsetzung der EU-Prospektverordnung

EU-Gesetzgebung

EU-Gesetzgebung | © CC0/pixabay.com

Die EU-Prospektverordnung macht den Weg zum prospektfreien Angebot von Wertpapieren frei. Nicht nur für die Crowdinvesting-Branche öffnen sich damit neue Asset-Klassen. Nachstehend die Würdigung der Umsetzung der EU-Verordnung in deutsches Recht durch den aktuellen Referentenentwurf von Christoph Sieciechowicz, Vorstand des DCV Deutscher Crowdsourcing Verband e.V.:
Prospektfrei bis acht Mio. Euro: die Umsetzung der EU-Prospektverordnung macht Hoffnung, geht aber größtenteils am Crowdinvesting-Markt vorbei.

Nun endlich liegt er vor, der lang erwartete Gesetzesentwurf, von dem sich viele eine fast völlige Demokratisierung des Crowdfunding/Crowdinvesting-Marktes versprochen haben. Diese Erwartungen werden gleichwohl größtenteils enttäuscht. Es ist vielmehr zu erwarten, dass die grundsätzlich positiven Aspekte sich innerhalb kleiner, vom Mainstream des aktuellen Crowdfunding/Crowdinvesting-Marktes weit gehend isolierter Bereiche zur Marktreife entwickeln werden. Aufgrund zulassungsrechtlicher Aspekte ist mit einem weiteren Konzentrationsschub im Crowdinvesting-Markt zu rechnen.

Der Entwurf und sein Regelungsbereich.

Was regelt der Entwurf eigentlich? Es geht um das öffentliche Angebot von Wertpapieren. Ein Wertpapier ist  grundsätzlich eine Urkunde, die bestimmte Rechte, etwa die Miteigentümerschaft an einem Unternehmen (Aktie), verbrieft. Ohne diese Urkunde kann das Recht nicht geltend gemacht werden. Wertpapiere sind u.a. Aktien, Anleihen, Anteile von bestimmten Investmentfonds, Genusscheine, Optionsscheine, bestimmte Zertifikate, etc. Es handelt sich also um einen völlig anderen Bereich als das bisherige Crowdinvesting, das mittels qualifizierter Nachrangdarlehen Gelder einwirbt. Nachrangdarlehen sind Vermögensanlagen nach VermAnlG, nicht Wertpapiere.

Die Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 ermöglicht es grundsätzlich öffentliche Angebote von Wertpapieren ohne Europäischen Pass bis 8 Millionen EUR national von der Prospektpflicht zu befreien. Wir befassen uns im Weiteren nur mit rein nationalen, auf Deutschland bezogenen Angeboten. Für öffentliche Angebote mit europäischem Pass gelten andere Regelungen.

Voraussichtliche Umsetzung gemäß Referentenentwurf.

Durch Änderung vor allem des WpPG wird im Referentenentwurf von den Optionen der EU-Prospektverordnung derart Gebrauch gemacht, dass Anbieter für öffentliche Angebote von Wertpapieren mit einem Gesamtgegenwert von 100.000 EUR, aber weniger als 8 Millionen EUR statt eines Prospekts ein WertpapierInformationsblatt veröffentlichen müssen. Dieses muss vor Veröffentlichung und vor Start des öffentlichen Angebots von der BaFin zunächst gestattet werden. Das WertpapierInformationsblatt entspräche dann in seinem Charakter und seinem Inhalt weit gehend dem VIB, das heute bereits eine Grundlage des Crowdinvesting darstellt. Das WertpapierInformationsblatt wird noch von Inhalt und Gestaltung gesetzlich normiert; es dient potentiellen Anlegern als Informationsquelle für die Anlageentscheidung.

Christoph Sieciechowicz: „Der DCV begrüßt diese Ausgestaltung ausdrücklich, denn sie hat sich schon mit dem VIB als leistungsfähiges und unbürokratisches Instrument bewährt und wird so für den Verbraucher eine Vergleichbarkeit über die Anlageformen ermöglichen“.

Anlegerschutz – es gelten die Anlagegrenzen des Crowdinvestings.

Die Umsetzung durch den Referentenentwurf sieht zwecks Anlegerschutz (im Zentrum steht der „nicht qualifizierte Anleger“, also der normale Verbraucher) beim Anlageprozess ähnliche Grenzen und Gestaltungen vor, wie bei jeder Crowdinvestingplattform aktuell schon üblich:

Bis 1.000 Euro ohne weitere Selbstauskunft.
Bis 10.000 Euro, sofern der jeweilige nicht qualifizierte Anleger nach einer von ihm zu erteilenden Selbstauskunft über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumenten von mindestens 100.000 Euro verfügt, oder den zweifachen Betrag seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens nach einer von ihm zu erteilenden Selbstauskunft, höchstens aber 10.000 Euro.

Konzentrationsgefahr: Vermittlung von Wertpapieren mit Zulassung nach § 34 f Ziffer 3 GewO nicht möglich. Zulassung als Wertpapierdienstleistungsunternehmen erforderlich. Ausweichlösung Haftungsdach.

Und nun die schlechte Nachricht: Da es sich hier um Wertpapiere handelt, ist deren Vermittlung durch Crowdfunding/Crowdinvesting-Plattformen, die nur über eine Zulassung nach § 34f Ziffer 3 GewO verfügen, nicht möglich. Der Großteil der bestehenden Crowdinvesting-Plattformen kann die Vorteile der Umsetzung der EU-Verordnung also aktuell nicht in Anspruch nehmen. „Damit zerschlägt sich die Hoffnung auf die Aktienbank am Küchentisch, von der so einige fabuliert haben“, so Christoph Sieciechowicz „was aber im Sinne des Anlegerschutzes sicherlich kein Verlust ist.“

Die Vermittlung von Wertpapieren ist grundsätzlich Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorbehalten. Diese sind u.a. nach § 2 Absatz 10 WpHG Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute sowie nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen. Mit einer Zulassung nach § 34f Ziffer 3 GewO allein ist die Vermittlung von Wertpapieren nicht möglich. Eine Crowdinvesting-Plattform, die zukünftig auch Wertpapiere prospektfrei öffentlich anbieten will, muss zuvor eine entsprechende Zulassung erlangen. Praktikabel wäre die eines Finanzdienstleistungsinstitus, welche gleichwohl erhebliche Kapitalanforderungen und den Nachweis qualifizierten Personals erfordert. Die damit verbundenen Kosten und Kapitalerfordernisse sind derart erheblich, so dass kaum damit zu rechnen ist, dass dieser Weg von bestehenden Crowdinvesting-Plattformen allzu oft beschritten werden wird.

Die Kosten, die mit dem Betrieb eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens verbunden sind, werden sich nur die allergrößten Plattformen leisten können. Darüber hinaus müssen, um solche Kosten zu amortisieren, die Anlagesummen pro öffentlichem Angebot wesentlich sein. Dies setzt einen schnellen Aufbau potenzieller neuer Crowd-Investoren voraus, die für diese Anlageform noch zu gewinnen sein werden. Auch die damit einher gehenden Marketing- und Werbekosten sind hoch, sie können nur von gut kapitalisierten Unternehmen getragen werden. „Wir rechnen daher tendenziell mit einem Konzentrationsschub im Crowdinvesting“, so Christoph Sieciechowicz.

Für Crowdinvesting-Plattformen, die diesen Weg nicht gehen wollen oder können bietet sich der Weg unter ein Haftungsdach an. Sofern dieses Haftungsdach ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist, so könnte die Plattform als gebundener Vermittler (tied Agent) des Haftungsdaches Wertpapiere vermitteln.

Gilt das Emittentenprivileg? Do-it-Yourself Emissionen für Unternehmen? Kritische Fragen sind angebracht.

Es gibt Stimmen, die die Existenz eines so genannten „Emittentenprivilegs“ postulieren. Angeblich soll das wertpapierausgebende Unternehmen innerhalb des postulierten „Emittentenprivilegs“ seine Wertpapiere ohne weitere Vertriebserlaubnis öffentlich anbieten und selbst platzieren bzw. von festangestellten Mitarbeitern vermitteln lassen dürfen. Der DCV rät in aller Form davon ab, sich ohne anwaltliche Prüfung auf eine solche Emission bzw. ein derartiges öffentliches Angebot einzulassen, auch wenn die Prospektbefreiung bis acht Millionen Euro für manches Kapital suchende Unternehmen verlockend scheinen mag. Sicher hat die BaFin auch eine dezidierte Meinung, die eingeholt werden sollte, bevor man sich auf ein Abenteuer einlässt.

Ungewollte Entwicklungen?

Der DCV sieht ein großes Potenzial der kommenden Prospektausnahme für Robo-Advisor und Robo-Vermögensverwalter. Dieser Branche wächst durch die Prospektausnahme für das öffentliche Angebot von Wertpapieren die Möglichkeit zu, spezialisierte und auf die jeweilige Zielkundschaft genau zugeschnittene Wertpapiere zu schaffen und sie zielgruppengenau der bestehenden Kundschaft elektronisch bzw. automatisiert zu vermitteln. Die erheblichen Einsparungen durch den Wegfall eines Prospekts eröffnen Robo-Advisor und Robo-Vermögensverwaltern ganz neue Anlageklassen.

Potenziale und Nutzen für die deutsche Crowdinvesting-Branche.

Ob aber die kommende Prospektausnahme für die Unternehmensfinanzierung erhebliche neue Potenziale bietet, ist noch offen. Ein bedauerlicher Mangel des Referentenentwurfs ist die Tatsache, dass er die AG scheinbar gegenüber der GmbH privilegiert. Aktien sind Wertpapiere, GmbH-Anteile nicht. Auf diesen Mangel hat auch der Bundesverband Crowdfunding völlig zu recht hingewiesen.

Gleichwohl entscheidet sich der Erfolg eines Crowdinvestings grundsätzlich nicht an der rechtlichen Gestaltung des Angebots. Das unternehmerische Risiko ist ceteris paribus bei einer Anleihe und einem Nachrangdarlehen gleich, ein Totalverlustrisiko besteht immer. Der Erfolg des Angebots liegt daher allein beim potenziellen Anleger, der von der Qualität des Angebots zu überzeugen ist.

Der DCV erkennt in der neuen Anlageklasse prospektfreier Wertpapiere einen bevorstehenden Schub an Professionalisierung und auch an Konzentration innerhalb der Branche. Die steigenden Kapital- und Personalanforderungen werden es nur wenigen Plattformen gestatten, prospektfrei Wertpapiere anzubieten und die damit verbundenen tendenziell steigenden operativen Kosten durch zusätzliche Platzierungserfolge zu decken.

Ob sich der deutsche Anleger für z.B. prospektfreie Aktien weit gehend unbekannter Unternehmen so sehr begeistern lässt wie der amerikanische Anleger wagen wir noch zu bezweifeln. Es ist im Verbrauchersinne zu hoffen, dass die in den USA mit dem Vertrieb solcher „Penny“-Aktien verbundenen, äusserst aggressiven Vertriebspraktiken, nicht auch in Deutschland Einzug halten werden.

Veröffentlichungsdatum: Samstag, 21.04.2018
Verantwortlicher Autor: Red. TB

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