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MIG Fonds – Update 2020 –

Interview mit Rechtsanwalt Christian Röhlke, Fachanwalt für Kapitalanlagenrecht in Berlin, zum MIG-Fonds

In die MIG Fonds haben Anleger seit 2004 mehr als eine Milliarde Euro investiert. Anleger und Vertriebler werden langsam unruhig, weil die 15 MIG Fonds “Made in Germany” mit ihren Investitionen nicht erfolgreich waren. Die Fonds waren ehemals ein Renner im Vertrieb, weil die Idee dem Kleinanleger in Venture-Capital-Investments zu investieren, sehr verlockend erschien. Was im englischen “venture-capital-investments” irgendwie aufregend klingt, ist im deutschen Sprachraum irgendwie profaner: “Wagniskapitalfonds”. Wagniskapitalfonds sind für konservative Anleger ungeeignet, sagt Röhlke im Interview. Zuletzt ist zur Jahreswende der Versuch einen Fond GAF zu liquidieren am Widerstand der Anleger gescheitert. Auch dieser Fonds gehört zum Reich des Matthias Hallweger. Der clevere Jurist Dr. Matthias Hallweger gilt als spiritus rector der Firmenkonstruktion rund um die MIG Fonds. Kritisiert an der versuchten Schließung des GAF war das Ergebnis: die Anleger verlieren die Hälfte des Werts ihrer Geldanlage, Dr. Matthias Hallweger möchte trotz des Misserfolgs weiterhin Provisionen, Gebühren und andere Posten in Millionenhöhe einvernehmen.

I: Herr Röhlke, Sie haben des Öfteren enttäuschte Anleger der MIG-Fonds vertreten. Was war deren Motivation, zum Anwalt zu gehen?

Antwort Röhlke: Anleger in den MIG-Fonds mit den geraden Nummern, also den Fonds 2,4,6,8 usw., haben ja häufig langfristige Raten-Verpflichtungen und ein Interesse daran, nicht länger in diesem Fonds zu zahlen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: bei einigen ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht mehr so wie zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung, die meisten bekommen jedoch im Laufe der Zeit ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken, so langfristig Geld in ein Unternehmen zu zahlen, welches möglicherweise am Ende der Laufzeit nicht in der Lage ist, das Geld auch zurück zu zahlen. Ein Blick des lesekundigen Investors in die veröffentlichten Bilanzen der MIG Fonds bestätigt die schlimmsten Befürchtungen. Wagniskapitalinvestitionen für Kleinanleger mittels MIG Fonds. Viele werden sich erst im Laufe der Vertragszeit über das eingegangene Totalverlustrisiko klar und wollen dann nicht noch mehr Geld riskant anlegen. Bei vielen greift das dann auch über auf die Beteiligungen mit den ungeraden Endungen, also den Einmalzahlungen. Viele Anleger haben jeweils zwei kombinierte Verträge.

I: Herr Röhlke, ist das in einer Vielzahl von Fällen? Gibt es eine große Unruhe am Markt? Wie schätzen Sie die Situation ein?

Antwort: In den letzten Jahren konnte ich keine große Unruhe bemerken, es meldeten sich immer mal ein paar Anleger und wollten aus den Beteiligungen aussteigen. Das ist jetzt anders, weil die Liquidation des GAF Fonds ganz klar zeigt, dass ca. 50% des eingezahlten Geldes verloren sind. Das ist wie eine lange Wanderung und am Ende hat das Ausflugslokal zu. Die meisten glauben es ja erst, wenn sie an der Türe rütteln. Viele hatten vom selben Kapitalanlagenvermittler auch andere riskante Kapitalanlagen bekommen und haben dann komplett das Vertrauen verloren, sodass sämtliche Beteiligungen aufgelöst werden sollten. Allerdings sind jetzt einige der älteren MIG-Fonds in die Liquidationsphase übergegangen, was vielen Anlegern berechtigterweise Sorgen bereitet. Hier kann nicht klar gesagt werden, ob Nachzahlungen zu leisten sind und in welchem Umfang. Durch die Liquidation scheint sich dann auch die Angst zu bestätigen, dass die Kapitalanlage letztlich zu Verlusten für die Anleger führt. Verbunden mit den möglicherweise weniger schönen Jahresabschlüssen der Fonds scheint sich in der Halbzeit eine gewisse Unruhe breit zu machen, das stimmt.

I: Wie ist die Rechtslage bei einem Wagniskapitalfonds?

Antwort Röhlke: Dass Wagniskapital ein massives Totalverlustrisiko bedeutet muss ganz klar sein. Die Rechtsprechung ist da in allen Instanzen eindeutig, konservativen Anlegern dürfen Produkte mit Substanzverlustrisiko nicht vermittelt werden. So hat z.B. das Landgericht Berlin (Urt.v. 01.12.2003, 10 O 448/03, rechtskräftig durch das Kammergericht bestätigt und ohne Revision zum Bundesgerichtshof) über die Klage einer Anlegerin zu entscheiden gehabt. Der Bundesgerichtshof sagt: “Soll das beabsichtigte Geschäft einer sicheren Geldanlage dienen, kann die Empfehlung einer unternehmerischen Beteiligung wegen des damit regelmäßig verbundenen Verlustrisikos fehlerhaft sein” Bundesgerichtshof Aktenzeichen III ZR 389/12. Und die meisten Anleger sind konservativ. Sie wollen gerne auf Zinsen und Rendite verzichten, wenn sie die Sicherheit haben am Ende jedenfalls das eingezahlte Kapital zurückzubekommen.

I: Was sind die Wünsche der Beteiligten an den Fonds?

Antwort: Das ist aus anwaltlicher Sicht natürlich schwer zu sagen. Wer zum Arzt geht, der hat natürlich schon Schnupfen und möchte von diesem befreit werden. Welche Wünsche der gesunde Teil der Bevölkerung hat, bevor er zum Arzt geht, ist vielleicht eher eine Frage für den Gesundheitsminister. So verhält es sich auch mit der anwaltlichen Dienstleistung: wer anwaltliche Hilfe sucht, möchte ein nicht nur raus aus dem Fonds und sein Geld nach Möglichkeit zu einem möglichst großen Teil zurückbekommen. Wer sein Vertrauen allerdings noch nicht verloren hat, dem wäre möglicherweise mit einer realistischen Darstellung der bisherigen geschäftlichen Tätigkeit durch den Fonds geholfen. Auf der Homepage der MIG-Fonds sind zwar viele Materialien wie zum Beispiel Prospekte etc. enthalten und auch schöne bunte Bilder. Harte Fakten zum Wert der Beteiligung sucht man allerdings vergeblich.

I: Welche juristischen Möglichkeiten sehen Sie? Was sagen Sie zur Prospekthaftung, zur Frage des Widerrufs von Beteiligungen?

Antwort: Das ist so pauschal schwer zu sagen. Wir haben hier ja eine sehr große Anzahl von Fonds, die in den letzten Jahren emittiert wurden und jeweils unterschiedliche Prospekte haben. Auch die Formulierungen der Widerrufsbelehrungen haben sich natürlich den im Laufe der Emissionszeit häufig geänderten Anforderungen des Gesetzgebers anzupassen versucht. Ob dies im Einzelfall gelungen ist, ist jeweils zu prüfen. Generell hat der Anleger aber immer zwei Fragen zu klären: kann ich die Beteiligung als solche widerrufen oder kündigen? Das geht zum Beispiel, wenn man nicht ordnungsgemäß über Risiken des Fonds aufgeklärt wurde oder aber ein Widerrufsrecht aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung noch besteht. Eine solche außerordentliche Kündigung oder ein Widerruf führt allerdings nur dazu, dass der Anleger dass wieder bekommt, was der Fonds aus seinem Geld gemacht hat. Das kann deutlich weniger sein als die eingezahlte Summe. Juristisch nennt sich das Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft. Die zweite Frage ist, ob hier möglicherweise Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können, gegen Gründungsgesellschafter des Fonds oder auch gegen den eingesetzten Kapitalanlagenberater. Hier ist immer dran zu denken, ob der Prospekt zur Aufklärung genutzt wurde oder nicht, ob er rechtzeitig übergeben wurde oder nicht, ob auf die Weichkostenbelastung hingewiesen wurde oder nicht oder auf das Totalverlustrisiko. Diese Fragen sind immer im Einzelfall zu klären, da bisher noch nicht festgestellt wurde, dass eine der Prospekte des MIG-Fonds fehlerhaft ist.

I: Was sagen Sie zur Haftung des Vertriebes?

Antwort: Auch hier gilt, dass im Einzelfall zu prüfen ist, wie die Beratungsgespräche gelaufen sind. Es gilt hier immer der Vorrang der Mündlichkeit. Entscheidend ist also meistens, was der Berater mündlich gesagt hat. Wenn der Berater die Aufklärung durch den Prospekt vorgenommen haben will, und der Emissionsprospekt inhaltlich richtig und fehlerfrei über sämtliche Risiken des Kapitalanlagenmodells informiert, erfüllt der Berater durch die bloße Übergabe des Prospektes seine Aufklärungspflichten trotzdem nicht. Das geht nur, wenn er die Risiken des Emissionsprospektes nicht mündlich entwertet nach dem Motto: Hier ist der Beipackzettel, kannst du nächstes Jahr mal lesen wenn du mehr Zeit hast lieber Anleger. Der Prospekt muss aber auch hinreichend lange vor der Vertragsunterzeichnung überreicht werden und nicht erst am Zeichnungstage.

I: Es gibt das Gerücht, dass es eine Zweitverwertung von zurückgenommenen Fonds gibt. Wie ist hier Ihre juristische Einschätzung bzgl. der Vertriebshaftung?

Antwort: Auch wir haben Anhaltspunkte dafür, dass nicht nur die MIG-Fonds, sondern auch andere von Gesellschaften insbesondere aus Landshut wechselseitig Fondsanteile in das Portfolio aufgenommen haben. Er stellt sich jeder natürlich die Frage, zu welchem Preis dies geschehen ist. Wenn die Anteile an einem geschlossenen Fonds zum Nominalwert aufgekauft wurden, obwohl sie diesen Wert durch die hohen Vertriebskosten der ersten Zeichnung gar nicht mehr haben, ergeben sich hieraus natürlich hohe Risiken für die Werthaltigkeit der Investitionen des Anlegers. Zu prüfen ist natürlich auch, ob der übernommen Fondsanteile Haftungsrisiken mit sich bringt. Da gilt der Grundsatz, dass eine solche Tätigkeit für Vermittler extrem riskant. Bei einer Zweitverwertung wird ja immer ein falscher Prospekt übergeben, anders wäre das auch nicht möglich. Außerdem braucht ein solches Zweitverwertungsunternehmen eine Genehmigung von der Aufsichtsbehörde BaFIN. Diese liegt nach meiner Kenntnis nicht vor.

Außerdem muss bei der Frage der Prospekthaftung einmal klar gesagt werden, dass der bisherige Nichterfolg der Fonds bei den neuen Fonds hätte problematisiert werden müssen. Das verlangt jedenfalls die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, II ZR 213/08: “Ein für die Anlageentscheidung wesentlicher Umstand kann der Erfolg oder Misserfolg vergleichbarer Vorgängerfonds sein.”

Damit stellt sich die Frage nach einer Prospekthaftung.

Welche Art der Abwicklung bevorzugen Sie im Interesse der Anleger?

Antwort Christian Röhlke: Hier kann ich nur generell antworten. Wenn sich die Vermögenslage eines Publikumsfonds so darstellt, dass die Wahl zwischen einer Liquidation in eigene Regie oder einem formellen Insolvenzverfahren besteht, habe ich immer mehr Sympathie für ein formelles, amtsgerichtlich kontrolliertes Insolvenzverfahren als für eine Liquidation. Liquidatoren sind ja meist die ehemaligen Geschäftsführer, die dann die Geschäfte so lange fortführen, bis die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht ist und sämtliche Spuren verwischt sind. Wenn jemand mit dem Auto betrunken gegen die Wand fährt, überlässt man ja auch nicht dem betrunkenen Fahrer die Aufräumarbeiten und wartet mit einer Kontrolle, bis er wieder ausgenüchtert ist. Sinnvoller ist es natürlich, rechtzeitig die Polizei zu schicken, um Spuren zu sichern und die Blutalkoholkonzentration festzustellen.

Wenn die Voraussetzungen für eine einen Insolvenzantrag allerdings noch nicht vorliegen, die Gesellschaft also weder zahlungsunfähig noch bilanziell überschuldet ist, haben die Anleger natürlich auch die Möglichkeit, ihre gesellschaftsvertraglichen Rechte wahrzunehmen und die bisherige Geschäftsführung durch eine andere zu ersetzen. Das ist Demokratie im Gesellschaftsrecht. Die hierfür erforderliche Gesellschafterversammlung muss natürlich einberufen werden. Hierfür benötigen die Anleger wiederum die Namen und Anschriften der Mit-Anleger, die ihnen allerdings von der Geschäftsführung zur Verfügung gestellt werden müssen. Das ist gerichtlich einklagbar.

Lieber Herr Rechtsanwalt Röhlke,

haben Sie freundlichen Dank für diese ausführliche Stellungnahme.

Rechtsanwalt Röhlke ist Anwalt mit Spezialisierung im Bereich Bank- und Kapitalmarktrecht und in Berlin tätig.

Nachtrag der Redaktion: auch Gomopa.net bringt einen ausführlichen Beitrag zum Thema.

Fachjournalist Loipfinger schreibt zu den Gebühren der GAF: Solch ein skrupelloses Vorgehen ist angesichts der Fragen, warum beispielsweise das Investitionskonzept nicht prospektgemäß umgesetzt wurde, mehr als dreist.

Veröffentlichungsdatum: Freitag, 24.01.2020
Verantwortlicher Autor: Red. LG

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Bildquelle: Strafverfahren | © WilliamCho / Pixabay

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