Nun, bisher habe ich mich gegen diesen Satz gewehrt und damit argumentiert, dass es ja die Meinungsfreiheit gibt. Natürlich müssen trotzdem ein paar Regeln eingehalten werden, wie zum Beispiel keine Gewaltandrohungen oder unsachliche diffamierende Äußerungen. Aber abgesehen davon, darf man in Deutschland alles sagen.
Wirklich alles? Was ist zum Beispiel mit Slavoj Žižek, einem Philosoph aus Slowenien, der auf der Frankfurter Buchmesse eine Welle der Empörung auslöste (s. hier https://www.spiegel.de/kultur/literatur/frankfurter-buchmesse-slavoj-zizek-sorgt-mit-eroeffnungsrede-zu-israel-und-palaestina-fuer-tumult-a-bf6091a5-0db8-4d41-a8c8-ff73d8e9af1c)? Und womit? Žižek sprach sich gegen den Terrorangriff der Hamas auf Israel aus, betonte aber gleichzeitig, dass man auch die Seite der Palästinenser berücksichtigen müsse. Damit zog er sich den Unmut vieler Anwesenden und Nichtanwesenden auf sich.
Und dabei hat er doch recht! Es gehört zum Qualitätsjournalismus dazu, beide Seiten zu betrachten, was in Deutschland immer wieder betont wird. Aber bei bestimmten Themen scheint das Prinzip nicht zu gelten. So provoziert Israel seit längerem immer wieder in der Palästinserfrage. Aber sobald das jemand aus der westlichen Welt kritisiert, wird diese Person scharf angegangen, vor allem eben in Deutschland. Nun möchte ich natürlich nicht die Geschichte ignorieren und erst recht nicht die Aktivitäten der Deutschen hier relativieren – das Leid so vieler Millionen Unschuldiger Juden –, aber das heißt doch nicht, dass man deswegen provozierende Aktionen seitens Israels nicht kritisieren darf! Das wäre ja so, als wenn ich einen Friedensnobelpreisträger, der betrunken mit seinem Auto ein Kind überfahren hat, deswegen nicht verurteilen dürfte! Auf diesen Gedanken würde keiner kommen.
Und das bringt mich eben dazu, zu hinterfragen, ob man in Deutschland denn wirklich noch alles sagen darf. Auch wenn dies so ein AfD-Jargon ist, den ich nicht mag. Aber wegen so einer Aussage Žižek und andere in die antisemitische und rassistische Ecke zu stellen, setzt meiner Meinung nach ein falsches Zeichen. Es zeigt, dass bestimmte Dinge, die in Verbindung mit der deutschen Historie stehen, tabuisiert sind. Andere dürfen uns im Zusammenhang mit dem widerlichen Erstarken des Antisemitismus doch auch kritisieren. Warum dürfen wir dann nicht Israel kritisieren, wenn es völkerrechtswidrige Aktivitäten durchführt? Warum dürfen andere immer wieder mit dem Finger auf uns zeigen, wir aber nicht? Warum gibt es bei vielen noch immer dieses Schwarz-Weiß-Denken, Israel und Amerika gut, Russland schlecht? So einfach ist die Welt leider nicht…
Nicht nur Russland hat in den letzten 50 Jahren immer wieder Kriege angefangen, die USA ja ebenfalls. Nicht nur Deutschland hat einen Genozid versucht – das gleiche kann man ebenfalls beispielsweise über die USA (Indianer!), Russland und Großbritannien sagen. Erneut möchte ich betonen, dass das keine Relativierung der einzelnen Taten sein soll! Alle sind verabscheuenswürdig und müssten eigentlich entsprechend geahndet werden. Es geht mir nur darum zu zeigen, dass die Welt nicht so simpel Schwarz-Weiß ist, wie es in den Medien teilweise dargestellt wird.