Appellationsgericht in Antwerpen/Belgien – Emotionale Plädoyers der Anwälte der Berufungsführer der Flexcom am heutigen Tage
Der Termin am Berufungsgericht in Antwerpen am 24.2.2021 war geprägt von emotionalen Plädoyers der Verteidiger. Das Urteil erster Instanz habe erhebliche Prangerwirkung für die Angeklagten. Das harte Urteil stehe im Widerspruch zu den offensichtlichen Versäumnissen der Polizeiarbeit. Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist ein Urteil erster Instanz. Flexcomgründer Cengiz Ehliz, ein weiterer ehemaliger Chef für Holland und Belgien sowie ein dritter Verantwortungsträger, der krankheitsbedingt entschuldigt war und inzwischen in der Türkei lebt, waren 2020 verurteilt worden und wünschten die Überprüfung des Urteils erster Instanz. Eindrucksvoll schilderte die Rechtsanwältin des nicht anwesenden Angeklagten, dieser sei nie befragt worden und habe von der Verurteilung nur durch die Zustellung des Urteils im Jahre 2020 von den Betrugsvorwürfen erfahren. Dieser sei regelrecht schockiert von den Ermittlungsergebnissen der Polizeiarbeit, berichtete seine Verteidigerin. Der weitere Angeklagte neben Cengiz Ehliz war zwar in die Ermittlungen einbezogenen, schilderte ausführlich die negativen Folgen beruflich und für seine Familie.
Hintergründe des Berufungsverfahrens
Wegen angeblichen Betruges war der deutsch-türkische Unternehmer Cengiz Ehliz und weitere Geschäftspartner in erster Instanz in Belgien verurteilt worden. Dieser Verfahrensausgang in der ersten Instanz im Jahre 2020- die Angeklagten waren in Abwesenheit verurteilt worden – überraschte Beobachter. Die Lektüre der Urteilsgründe ergab das Bild, dass das Gericht meinte, dass von Ehliz entwickelte Zahlungssystem sei grundsätzlich nicht funktionsfähig und bedürfe einer Banklizenz. Offenbar war die Tatsachengrundlage nicht richtig erfasst worden, weil das Zahlungs- und Cashback System 2012 bis 2014 einwandfrei funktionierte und keine Banklizenz benötigte. Um diesen Zeitraum ging es bei dem Verfahren.
Gerichtsverfahren in Belgien
Das belgische Recht leitet sich aus dem römischen Recht ab und ähnelt dem deutschen Recht. Allerdings wird das Urteil in der Berufung nicht sofort verkündet, sondern mittels schriftlichem Urteil nach einigen Wochen mitgeteilt.
Anhörung der Berufungsführer
Die Beteiligten hatten Gelegenheit im Berufungsverfahren gegenüber dem sehr interessiert und offen agierenden Gericht ihre Sicht der Dinge vorzutragen. In Saal D des Appellationsgerichts in Antwerpen wurden ab 09.30 Uhr am heutigen Tage die Anklagevorwürfe diskutiert. Eine angeblich fehlende Banklizenz oder die Funktionsunfähigkeit des gesamten Systems waren Vorwürfe der Anklage aus der ersten Instanz, die von der Staatsanwaltschaft nicht mehr wiederholt wurden. Damit entfallen wichtige Anwürfe. Das Gericht klärte den Sachverhalt ausführlich auf und gab Gelegenheit zu einer persönlichen Stellungnahme. Ein Urteil und die Korrektur der Entscheidung erste Instanz konnte es aus formaljuristischen Gründen aber am heutigen Tage nicht geben. Das Gericht hat angeordnet einen weiteren Entlastungszeugen zu hören und den Vorgang in Gänze aufzuklären. Dies soll am 21. April 2021 geschehen. Danach kündigte das Gericht an, dass das Berufungsurteil im Mai 2021 schriftlich vorliegen würde.
Weitere Schritte des Verfahrens
Die Prozessbeobachtung vor Ort ergab das Bild, dass das belgische Gericht sehr sorgfältig die Plädoyers der Rechtsanwälte und sonstigen Beteiligten verfolgte und alle Prozessbeteiligten die Gelegenheit zu einer Stellungnahme gab. In seiner Anhörung führte Ehliz aus, dass Zahlungssystem funktioniere und sei inzwischen zu dem Unternehmen wee weiterentwickelt. Ausfälle und Wartungsarbeiten, Verbesserungen und Pannen seien vorgekommen – das sei das Wesen eines Start Ups. Der Berufungsführer Cengiz Ehliz: „Ich hatte das große Glück, in Antwerpen meine Sichtweise einmal ausführlich vortragen zu können und Fragen zu beantworten. Ich war von der Gerichtsentscheidung in erster Instanz überrascht worden. Es handelte sich aus meiner Sicht um eine nicht korrekte Erfassung des Sachverhaltes. Meine Hausjuristen bzw. mein damaliger Anwalt hatte auch nicht ausreichend des Sachverhalt aufgearbeitet. Heute konnte geklärt werden, dass unser System funktioniert, auch wenn wir Corona bedingt jetzt eine schwächere Zeit zu überstehen haben. Vor dem Gericht habe ich natürlich auch kleinlaut eingeräumt, dass ich mich ausreichend um das Verfahren gekümmert habe; insbesondere war der Tipp meines vormaligen Anwalt falsch, nicht in erster Instanz vor Gericht zu erscheinen. Ich habe seit Jahren an dem Bezahlsystem gearbeitet. Diese Weiterentwicklung „wee pay“ für das mobile Bezahlen hat natürlich eine Banklizenz.“