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Bauträger- und Immobilienprojektfinanzierung durch Crowdinvesting

Crowdinvesting

Crowdinvesting | © CC0/pixabay.com

Ein Leitfaden für Immobilienprofis, die Crowdinvesting als strategische Finanzierungsalternative erschließen wollen. Diese Serie besteht aus voraussichtlich bis zu fünf Teilen, die in loser Folge nacheinander erscheinen. Autor ist Christoph Sieciechowicz, Vorstand des Deutscher Crowdsourcing Verband DCV, des ältesten europäischen Verbandes der sich mit Crowd-Finanzierung befasst. Immobilienprofis erreichen ihn unter cs (ät) crowdfundingnetwork.de.

Teil 1: Crowdinvesting – was ist das eigentlich?

Im Jahr 2017 wurden bereits über 130 Mio. Euro für Immobilien-Crowdinvesting eingeworben. Für 2018 wird die Verdopplung dieses Ergebnisses erwartet. Damit ist Immobilien-Crowdinvesting  aus einer Spezialnische im breiten Investmentmarkt angekommen. Experten prognostizieren ein weiter zweistelliges Wachstum dieses Marktsegments.

Sie sind Immobilienprofi und wollen Crowdinvesting für Ihr Geschäft erschließen?

„Die meisten Immobilien-Unternehmer wollen zwar Crowdinvesting für sich erschließen, haben aber kein realistisches Wissen über die Notwendigkeiten und Best-Practise“, so Christoph Sieciechowicz, Vorstand und Experte für Immobilien-Crowdfunding beim DCV Deutscher Crowdsourcing Verband e.V. „daran scheitert leider ein Großteil solcher Projektideen, die am Ende nur Zeit und Geld kosten.“ Auf dem Weg zur erfolgreichen Einwerbung von einigen Millionen Euro für Ihr Immobilien-Projekt stehen Ihnen einige Hindernisse im Weg. Um diese zu erkennen und zu meistern, beginnen wir mit den Grundlagen des Crowdinvesting, um in weiteren Folgen zu den Abläufen und Strukturierungen erfolgreicher Immobilien-Crowdinvestings zu gelangen. Auch hier gilt: ohne ein solides Fundament kann kein Gebäude stehen.

Entbürokratisierung der Kapitalbeschaffung führte zur Prospektausnahme für Crowdinvesting (Amtsdeutsch: „Schwarmfinanzierung“).

Die EU-Kommission hat bereits vor einigen Jahren festgestellt, dass in Europa für mittelständische und Wachstumsunternehmen bankunabhängige Finanzierungsquellen größtenteils fehlen. Dies führt zu fehlenden Arbeitsplätzen und geringerem Wachstum in der EU. Da mittelständische Unternehmen in fast allen EU-Ländern des wesentlichen Teil von sozialversicherungspflichtigen Arbeits- und Ausbildungsplätzen stellen, erkannte die EU einen wesentlichen Mangel, dem es abgeholfen werden musste. Dies ist in den USA, Großbritannien und Asien grundsätzlich anders ausgeprägt, in diesen Regionen existieren traditionell gut strukturierte Zugänge zu bankunabhängigem Venture- und Risikokapital. Diese Finanzierungsquellen haben einen erheblichen Anteil an der wirtschaftlichen Dynamik dieser Regionen.

Die EU-Kommission hat unter anderem Crowdinvesting bzw. Crowdfunding als alternative Finanzierungsquellen identifiziert und durch das zuständige Directoire Général Entwürfe für zielführende Verordnungen entwickeln lassen, die dann in nationale Gesetze umgesetzt werden mussten. Das zuständige Directoire Général hat lobenswerter Weise den Weitblick besessen, mit dem „European Crowdfunding Stakeholder Forum“ ein europäisches Institut zu schaffen. Es tagt regelmäßig in Brüssel und versammelt die Regulierer und Spitzenverbände aus Crowdinvesting bzw. Crowdfunding aller EU-Mitgliedsländer. Die deutsche BaFin und der DCV Deutscher Crowdsourcing Verband e.V. stehen dort auf der Einladungsliste.

Mit dem Input des „European Crowdfunding Stakeholder Forum“ wurden Verordnungen geschaffen, deren wesentliche Wirkung die Entbürokratisierung der Einwerbung von Risikokapital für kleine und mittelständische Unternehmen durch Crowdinvesting war. Dies wird im wesentlichen durch die Prospektbefreiung für Crowdinvesting erreicht.

Welche Wirkung hat die Prospektbefreiung?

Die Einwerbung von Geldern von Anlegern ist gesetzlich stark reguliert. Die zugehörigen Erfordernisse sind organisatorisch anspruchsvoll, sie binden Spitzenpersonal des Unternehmens über viele Monate und die Kosten sind regelmäßig hoch. Für kleine und mittelständische Unternehmen war dieser Weg daher verschlossen, obwohl diese Unternehmen privaten Anlegern gerne gute Zinsen für überlassene Gelder gezahlt hätten. Diesen Weg konnten bisher nur große Emissionshäuser beschreiten, die für geschlossene Fonds Einzelvolumina von regelmäßig ab 20 bis 50 Mio. Euro eingeworben hatten und über die dafür notwendigen personellen wie organisatorischen Ressourcen verfügten.

Grundsätzlich muss in der Bundesrepublik Deutschland für jedes öffentliche Angebot von Anlagen vorab ein Verkaufsprospekt erstellt und von der BaFin für den öffentlichen Vertrieb gestattet werden. Verstöße werden streng und empfindlich geahndet. So gut wie jede Form der Kapitaleinwerbung bei einem breiten Publikum unterliegt der Prospektpflicht. Es ist für einen Immobilien-Projektentwickler nicht möglich, einen Betrag von z.B. 2 Mio. Euro von einem breiten Publikum einzuwerben, auch nicht mit guten Zinsen, wenn vorab kein von der BaFin gestatteter Verkaufsprospekt vorliegt.

Die Erstellung eines solchen Verkaufsprospekts, wie man ihn z.B. von Immobilien- oder Schiffsfonds her kennt, kann durchaus weit über 100.000 € kosten und der Zeitrahmen von Prospekterstellung bis zu dessen Gestattung durch die BaFin kann sechs Monate bei Weitem überschreiten. Anwälte und steuerliche Berater werden dabei regelmäßig in jedem Schritt involviert. Erst nach Gestattung und Veröffentlichung der betreffenden Hinweise über die erfolgte Gestattung im Bundesanzeiger kann der öffentliche Vertrieb des Anlageproduktes beginnen.

Auch der Vertrieb von Anlageprodukten, und dazu gehört beispielsweise auch die öffentliche Einwerbung von Darlehen privater Anleger für eine Ihrer Projektentwicklungen, darf nicht durch jedermann erfolgen. Vielmehr müssen die Personen, die Anlagen vermitteln, über eine Zulassung nach § 34f Ziffer 1 (offene Investvermögen) oder nach § 34f Ziffer 2 (geschlossene Investvermögen, früher „geschlossene Fonds“ genannt) oder nach § 34f Ziffer 3 (Vermögensanlagen nach VermAnlG) verfügen, bei der zuständigen Registrierungsstelle erfasst sein und eine Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung besitzen, die das Risiko von z.B. Falschberatung gegenüber den Anlegern versichern soll. Daher können Sie, auch wenn Sie einen von der BaFin gestatteten Verkaufsprospekt besitzen, ihre Anlage ohne diese Zulassungen nicht an Anleger vermitteln. Wenn Sie Vermittler engagieren wollen, die dies für Sie tun sollen, müssen diese über solche Zulassungen verfügen. Haben Sie diese nicht, so ist der teure Prospekt wirtschaftlich für Sie wertlos, denn er muss liegen bleiben und erreicht keinen einzigen Anleger.

Die EU-Verordnung hat die Crowdinvesting-Ausnahme für Verkaufsprospekte zugelassen: unter bestimmten Voraussetzungen ist die Einwerbung von Mitteln mittels Crowdinvesting prospektfrei, d.h. es entfällt die Notwendigkeit einen Verkaufsprospekt zu erstellen und ihn von der BaFin gestatten zu lassen. Dies spart Ihnen hunderttausende Euro und mehrere Monate Zeit.

Prospektbefreiung für Crowdinvesting – und jetzt einfach loslegen?

„Die Prospektbefreiung ist kein Freibrief“, so Christoph Sieciechowicz, Vorstand des DCV Deutscher Crowdsourcing Verband e.V. „sie ist vielmehr eine Ausnahmeregelung, die eng definiert ist.“ Der deutsche Gesetzgeber hat die Prospektausnahme für Crowdinvesting (Amtsdeutsch „Schwarmfinanzierung“ daher „Schwarmfinanzierungsausnahme“) im Vermögensanlagegesetz  (VermAnlG) verankert.

Die Prospektausnahme gilt ausschließlich für Angebote, die als Nachrangdarlehen mit qualifizierter Nachrangklausel konzipiert sind und pro Angebot maximal bis zu 2,5 Mio. Euro betragen können. D.h. ein Unternehmen kann unter der Prospektausnahme maximal 2,5 Mio. Euro mittels eines qualifizierten Nachrangdarlehens von Anlegern einwerben. Stille Beteiligungen, KG-Beteiligungen oder GmbH-Anteile sind nicht von der Prospektausnahme umfasst.

Die Prospektausnahme gilt auch nur für solche Angebote, die von einer elektronischen Crowdinvesting-Plattform (Amtsdeutsch: „Schwarmfinnazierungsplattform“) an Anleger vermittelt werden. Es gibt auch gesetzliche Anlagegrenzen zu beachten: ein einzelner Anleger kann bei einem bestimmten Crowdinvesting-Angebot maximal 10.000 Euro investieren und muss einen Know-Your-Customer sowie einen Erfassungsprozess durchlaufen bei dem er über bestimmte Investmenterfahrung und Vermögensverhältnisse aufklärt. Erst dann kann investiert werden und Sie als Immobilien-Projektentwickler erhalten für Ihr Projekt die notwendigen Mittel.

Weiteres erfahren Sie demnächst in Teil 2: Immobilien-Crowdinvesting – Usecases und Beispiele.

 

 

 

Veröffentlichungsdatum: Samstag, 16.06.2018
Verantwortlicher Autor: Red. TB

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Bildquelle: Crowdinvesting

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